Von HEU zu LEU
Forschungsreaktoren sind die einzigen Einrichtungen im zivilen Bereich, die hochangereichertes Uran (HEU) verwendet haben und zum Teil immer noch verwenden. Ziel der Umrüstung eines jeden Forschungsreaktors ist die Minimierung möglicher Proliferations-Restrisiken durch die Reduktion der Uran-235-Anreicherung im verwendeten Brennstoff.
Der bei jeder Umrüstung unvermeidliche Reaktorstillstand bedingt wissenschaftliche Einschnitte, Unterbrechung der für die Nuklearmedizin essentiellen Isotopenproduktion sowie hohe Kosten. Daher ist es geboten, dieses Ziel nachhaltig und damit in nur einem Schritt zu erreichen.
Konkrete Zielsetzungen für die Umrüstung:
- Beibehaltung des derzeitigen Sicherheitsniveaus
- Aufrechterhaltung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit
- Zügige Umrüstung in möglichst einem Schritt ohne lange Stillstandszeiten
- Nachhaltige Erfüllung der Umrüstungsvereinbarung, im Sinne der Nicht-Weiterverbreitung
- Sicherung der Zukunftsfähigkeit des FRM II
In einer Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern sowie in einer Nebenbestimmung der Betriebsgenehmigung des FRM II von 2003 ist daher festgehalten, dass auch der FRM II auf einen Brennstoff mit einer Uran-235-Anreicherung < 50 % umzurüsten ist, vorausgesetzt ein geeigneter Brennstoff ist vorhanden. Zusätzlich ist die Verpflichtung zur Umrüstung des FRM II auch in der aktuellen MLZ-Kooperationsvereinbarung, zwischen der Technischen Universität München und den Helmholtz-Zentren Jülich und Hereon vom Dezember 2020 niedergeschrieben.
Über das in der Bund-Land-Vereinbarung und der Betriebsgenehmigung des FRM II festgeschriebene Ziel der Anreicherung unter 50% hinausgehend wird international, insbesondere durch die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und das US-amerikanische Department of Energy (DOE), die Umrüstung von Forschungsreaktoren ausschließlich auf niedrig angereichertes Uran (eng. low enriched uranium, LEU, < 20 % U-235-Anreicherung) angestrebt. Aus diesem Grund, sowie zur nachhaltigen Erfüllung der o.g. Zielsetzungen zur Umrüstung, strebt die TUM seit jeher eine Umrüstung auf die niedrigst-mögliche Anreicherung an. Das ultimative Ziel der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ist daher die Umrüstung des FRM II auf ein Brennelement mit < 20 % Uran-235-Anreicherung (LEU).
Forschungserfolge: LEU Design
Durch verschiedene Optimierungen sowie marginale Änderungen an der Geometrie des Brennelements ist es der Arbeitsgruppe inzwischen gelungen, in theoretischen Modellrechnungen die für eine Umrüstung benötigte Anreicherung unter gewissen Vorbehalten auf weit unter 50% zu senken. Um das Ziel der niedrigst-möglichen Anreicherung zu erreichen, wurden in der jüngsten Vergangenheit neue Forschungsprojekte gestartet:
- Die Validierung von 3D-Fluiddynamik-Codes für den Einsatz in Hochleistungsforschungsreaktoren
- Die Validierung von Abbrand-Codes mittels verschiedener experimenteller Methoden
Die Suche nach einem LEU-Design (low-enriched uranium; < 20 % U-235-Anreicherung) hat Modelle und Methoden hervorgebracht, die eine moderne, effiziente und sehr präzise Berechnung des FRM II ermöglichen. Der einzige Brennstoff, der eine Umrüstung auf ein LEU-Design ermöglicht, ist monolithisches U-Mo.
Aus reaktorphysikalischer und technischer Sicht der TUM, sowie unabhängig durch das US-amerikanische Argonne National Laboratory verifiziert, erscheint eine Umrüstung des FRM II auf ein LEU-Design möglich.
Publikation:
C. Reiter, A. Bergeron, D. Bonete-Wiese, M. Kirst, J. Mercz, R. Schönecker, K. Shehu, B. Ozar, F. Puig, J. Licht, W. Petry, P. Müller-Buschbaum,
A Low-Enriched Uranium (LEU) option for the conversion of FRM II,
Annals of Nuclear Energy, Volume 183, 2023, 109599, ISSN 0306-4549, https://doi.org/10.1016/j.anucene.2022.109599.
Nun geht es darum, die theoretisch festgestellte und von unabhängigen Expertenteams bestätigte Umrüstbarkeit auch in die Praxis umzusetzen. Hierfür wird ein abteilungsübergreifendes Projektteam am FRM II in den nächsten Jahren weitere Optimierungen am Brennelement-Design durchführen und die Einleitung des Genehmigungsverfahrens sowie die Beschaffung neuer Brennelemente vorbereiten. Begleitend zur technischen und atomrechtlichen Umsetzung werden die weiterhin notwendigen Forschungsarbeiten am TUM Center for Nuclear Safety and Innovation durchgeführt werden.