Strahlentherapie maligner Tumoren
Teletherapie von malignen Tumoren mit hochwirksamen schnellen Neutronen. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Arten der Strahlentherapie: Die Bestrahlung von außen (Teletherapie), wobei die Gamma-Strahlung meist mit Elektronenbeschleunigern hergestellt wird, und die interne Therapie (Brachytherapie), bei der ein radioaktiver Strahler direkt auf die Oberfläche oder in den Körper eingebracht wird (siehe Lu-177).
Beim FRM II gibt es eine Anlage für die Teletherapie von malignen Tumoren mit hochwirksamen schnellen Neutronen. Neutronen dringen wegen des hohen Wasserstoffgehaltes nicht tief in den menschlichen Körper ein. Für die Bestrahlung mit Neutronen kommen deshalb nur Patienten in Betracht, die an oberflächennahen Tumoren, also etwa im Kopf- und Halsbereich, an Brustkrebs und an Melanom-Metastasen leiden. Der geringen Eindringtiefe steht die außerordentlich hohe Wirksamkeit der Neutronenstrahlen gegenüber: So kann auch das Wachstum von Tumoren lokal unterdrückt werden, die gegen andere Strahlenarten resistent sind und bei denen auch andere Therapien nicht mehr greifen (meist palliative Fälle).
Das Ziel der Strahlentherapie ist, im Erbgut der Zelle – dem Doppelstrang der DNS-Helix – einen irreparablen Bruch zu verursachen, so dass die Zelle den Zelltod einleitet. Bei schnellen Neutronen genügt wegen der hohen Ionisationsdichte oft schon ein Treffer, der zu einem irreparablen Doppelstrangbruch führt. Der zelleigene Reparaturmechanismus ist absolut lebensnotwendig, denn alle Lebewesen sind natürlichen ionisierenden Strahlungen aus dem All oder aus der Erde sowie vielen anderen Schadstoffquellen ausgesetzt. Die gesunde Zelle ist deshalb permanent damit beschäftigt, beschädigte DNS wieder zu reparieren; die meisten Tumorzellen sind dazu jedoch in geringerem Maße fähig, wodurch sich ein Vorteil für mitbestrahlte gesunde Zellen ergibt und Nebenwirkungen beherrscht werden können. Strahlenschäden entstehen, weil Strahlung die Atome in Ionen und Elektronen zerlegt, sie ionisiert. Diese Ionisierung betrifft alle Bausteine der Zelle, aber die DNS ist das größte und wichtigste Molekül, das alle lebenswichtigen Vorgänge in der Zelle zu jedem Augenblick steuert.
Spaltneutronen (Energie 0,1 bis 10 MeV) weisen aufgrund ihres Energiespektrums die höchste relative biologische Wirksamkeit aller zur Krebsbehandlung eingesetzten Neutronenstrahlen auf. In enger Zusammenarbeit mit der Klinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie der TUM entstand – wie schon im alten FRM – eine Anlage, die für klinische Anwendungen Vorteile bietet:
- Der FRM II verfügt über eine spezielle und weltweit einmalige Anlage, die es ermöglicht, schnelle Spaltneutronen an einem Strahlrohr zur Verfügung stellen. Diese Anlage, ein sogenannter Neutronenkonverter, besteht aus zwei Uranplatten, die ca. 1 m entfernt vom Brennelement im Schwerwassermoderator angeordnet sind. Die thermischen Neutronen im Moderator induzieren Spaltprozesse, bei denen schnelle Reaktorneutronen (Spaltneutronen) und Gammastrahlung freigesetzt werden.
- Der Spaltneutronenstrahl ist mit ca. 3,2•108 nSpalt cm-2 s-1 sehr intensiv und durch Filter flexibel nutzbar, um z.B. die Gammakomponente der Spaltstrahlung zu reduzieren oder niederenergetische Neutronen zu unterdrücken.
- Das maximale Bestrahlungsfeld ist mit 20 • 30 cm² sehr groß, auch das trägt zu einer kürzeren Bestrahlungszeit bei. Gleichzeitig kann das erkrankte Gewebe flächenmäßig gleichmäßiger bestrahlt werden.
- Ein variables Blendensystem, ein sog. Lamellenkollimator, ermöglicht es, das Strahlenfeld der Form des Tumors anzupassen und gesundes Gewebe bestmöglich zu schützen.