Ziele der Umrüstung
Über das in der Bund-Land-Vereinbarung und der Betriebsgenehmigung des FRM II festgeschriebene Ziel der Anreicherung unter 50% hinausgehend wird international, insbesondere durch die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und das US-amerikanische Department of Energy (DOE), die Umrüstung von Forschungsreaktoren ausschließlich auf niedrig angereichertes Uran (eng. low enriched uranium, LEU, <20% U-235-Anreicherung) angestrebt.
Aus diesem Grund, sowie zur nachhaltigen Erfüllung der o.g. Zielsetzungen zur Umrüstung, strebt die TUM seit jeher eine Umrüstung auf die niedrigst-mögliche Anreicherung an. Das Ziel ist daher die Umrüstung des FRM II auf ein Brennelement mit <20% Uran-235-Anreicherung (LEU).
Proliferation – weltweites Streben
Forschungsreaktoren sind die einzigen Einrichtungen im zivilen Bereich, die hochangereichertes Uran (HEU) verwendet haben und zum Teil immer noch verwenden. Ziel der Umrüstung eines jeden Forschungsreaktors ist die Minimierung möglicher Proliferations-Restrisiken durch die Reduktion der Uran-235-Anreicherung im verwendeten Brennstoff.
Voraussetzungen: hoher Neutronenfluss für Wissenschaft und Sicherheitsaspekte
Der bei jeder Umrüstung unvermeidliche Reaktorstillstand bedingt wissenschaftliche Einschnitte, Unterbrechung der für die Nuklearmedizin essentiellen Isotopenproduktion sowie hohe Kosten. Daher ist es geboten, dieses Ziel nachhaltig und damit in nur einem Schritt zu erreichen.
Konkrete Zielsetzungen für die Umrüstung:
- Beibehaltung des derzeitigen Sicherheitsniveaus
- Aufrechterhaltung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit
- Zügige Umrüstung in möglichst einem Schritt ohne lange Stillstandszeiten
- Nachhaltige Erfüllung der Umrüstungsvereinbarung, im Sinne der Nicht-Weiterverbreitung
- Sicherung der Zukunftsfähigkeit des FRM II
Maßnahmen: höhere Dichte
Ein für die Umrüstung des FRM II geeigneter Brennstoff ist derzeit weltweit noch nicht im Einsatz. In internationaler Kooperation, unter anderem mit Frankreich, Belgien und den USA, arbeitet die TUM seit 2003 an der Entwicklung, Fertigung und Qualifizierung derartiger Brennstoffe und entwickelt geeignete Reaktor-Kernentwürfe, um den FRM II umzurüsten.
Eine Reduzierung der Uran-235-Anreicherung im Brennelement, unter Beibehaltung von Kerngeometrie und wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit, ist lediglich durch eine nur eingeschränkt mögliche Erhöhung des Brennstoffvolumens sowie eine Steigerung der Urandichte im Brennstoff möglich. So erfordert beispielsweise die Reduzierung einer 93% Uran-235-Anreicherung auf 20% eine Erhöhung der Urandichte um einen Faktor größer fünf, u. a. auf Grund der gesteigerten Neutronenabsorption durch Uran-238.
Es wurden in der Vergangenheit drei Materialvarianten identifiziert, welche prinzipiell für eine Umrüstung des FRM II geeignet schienen:
- Hochdichtes Uran-Silizid
- Disperses U-Mo
- Monolithisches U-Mo
Die Entscheidung für einen LEU-Brennstoff ist gefallen: Der FRM II wird auf monolithisches Uran-Molybdän umgerüstet.
Entscheidung für monolithisches U-Mo
Monolithisches U-Mo
Da die erreichbare Urandichte von dispersem U-Mo für manche Hochleistungs-Forschungsreaktoren wie den FRM II weiterhin nicht ausreicht um eine Uran-235-Anreicherung < 20 % (LEU) zu erreichen, wurden monolithische Brennstoffe als Alternative zu den gängigen dispersen Brennstoffen entwickelt. Hierbei wird vollständig auf das Matrixmaterial Aluminium verzichtet und der Brennstoff liegt in Form einer metallischen Folie innerhalb der Brennstoffplatten vor. Bei monolithischem U-Mo handelt es sich um eine Legierung mit einem Molybdän-Gehält von 10,0 Gew. % und einer nominellen Urandichte von 15,5 gU/cm³.
Testbestrahlungen
Die jüngsten Bestrahlungstests des monolithischen U-Mo-Brennstoffs sind der EMPIrE-Test (organisiert durch das HERACLES-Konsortium, teilweise finanziert durch das US-amerikanische DOE) und der MP-1-Test (organisiert durch das US DOE) am ATR-Reaktor des INL. Hierbei wurden zahlreiche mini-size LEU-Brennstoffplatten mit Europäischen und US-amerikanischen Fertigungsverfahren unter den Bedingungen von Hochleistungs-Forschungsreaktoren bestrahlt. Während der nicht-zerstörenden und zerstörenden Nachbestrahlungs-Untersuchungen wurden keine Anzeichen gefunden, die die generelle Qualifizerbarkeit dieses Brennstoffs in Zweifel ziehen würden.
Fertigung der Brennstoffplatten
Die Fertigung von Brennstoffplatten auf Basis von monolithischem U-Mo unterscheidet sich stark vom Fertigungsprozess von Brennstoffplatten auf Basis disperser Brennstoffe. So wird das U-Mo nach dem Legierungsprozess zunächst in Form eines Quaders gegossen („ingot“) und dieser anschließend zu einer dünnen Folie zusammen mit einer Zirkonium-Zwischenschicht heiß und ggf. kalt co-gewalzt, und diese anschließend in eine rechteckige Form zugeschnitten. Die so produzierte U-Mo-Folie wird anschließend mittels eines durch Framatome-CERCA geschützten Prozesses („C2TWP“) zu einer Brennstoffplatte verarbeitet.
Nun geht es darum, die theoretisch festgestellte und von unabhängigen Expertenteams bestätigte Umrüstbarkeit auch in die Praxis umzusetzen. Hierfür wird ein abteilungsübergreifendes Projektteam am FRM II in den nächsten Jahren weitere Optimierungen am Brennelement-Design durchführen und die Einleitung des Genehmigungsverfahrens sowie die Beschaffung neuer Brennelemente vorbereiten. Begleitend zur technischen und atomrechtlichen Umsetzung werden die weiterhin notwendigen Forschungsarbeiten am TUM Center for Nuclear Safety and Innovation durchgeführt werden.