Neutronen
Das Neutron ist ein Baustein der Atomkerne. Die Masse der uns umgebenden Materie besteht zu mehr als der Hälfte aus Neutronen.
Aufgrund ihrer ganz speziellen Eigenschaften stellen freie Neutronen ein ideales Werkzeug, vor allem für Untersuchungen in der Material- und Grundlagenforschung, dar.
Neutronen bilden zusammen mit den Protonen die Atomkerne. Mit Ausnahme des Wasserstoffatoms (H), dessen Kern nur aus einem Proton besteht, sind die Kerne aller Elemente aus Neutronen und Protonen zusammengesetzt, wobei die Zahl der Neutronen mindestens gleich groß wie, meist aber deutlich größer als die Zahl der Protonen ist.
Einige fundamentale Eigenschaften des Neutrons:
Masse | 1,674 × 10-27 kg |
Ladung | nach außen neutral |
Durchmesser | 1,7 × 10-15 m |
Lebensdauer (als freies Teilchen, im Atomkern stabil) | 880,1 s |
Substruktur | 1 up- und 2 down-Quarks |
Nuklide und Isotope
Freie Neutronen wechselwirken mit den Teilchen in einem Atomkern, wenn sie auf ein Atom treffen. Deshalb hängt ihre Wirkung auf das Atom von der Zahl der Neutronen und Protonen in dem Kern ab. Atomkerne mit einer bestimmten Anzahl von Protonen und Neutronen nennt man ein Nukild. Nuklide mit gleicher Anzahl von Protonen, aber verschiedener Anzahl von Neutronen, nennt man Isotope (eines Elements). Während die Wechselwirkung von Röntgenstrahlen mit Materie im Wesentlichen durch die Elektronenhülle der Atome bestimmt ist und damit für alle Isotope eines Elements (nahezu) gleich ist, wechselwirken freie Neutronen mit den Elementarteilchen im Atomkern, sodass für verschiedene Isotope des gleichen Elements verschiedene Wechselwirkungen beobachtet werden.
Der Physiker Chadwick beschoss im Jahr 1932 in einem Experiment Beryllium mit Alphateilchen aus dem natürlichen radioaktiven Zerfall von Polonium. Die daraus resultierende Strahlung hatte hohe Durchdringungskraft durch eine Bleiabschirmung und ließ sich mit den damals bekannten Teilchen nicht erklären.
Unter dem Postulat eines ungeladenen (neutralen) Teilchens, das etwa gleich schwer sein sollte wie ein Proton, hingegen verschwanden Chadwicks Interpretationsprobleme ganz zwanglos. So ließen sich seine Ergebnisse im Rahmen der bekannten Naturgesetze, insbesondere der Energie- und Impulserhaltung, erklären.
Spätere Experimente haben die Entdeckung des Neutrons bestätigt, besonders eindrucksvoll im Zusammenhang mit der Entdeckung der Kernspaltung durch Meitner, Hahn und Strassmann an Weihnachten des Jahres 1938.
Mit dem Nachweis der Kernspaltung und der Entdeckung, dass bei der Spaltung schwerer Kerne wie z.B. Uran durch Neutronenbeschuss stets mehr als ein Neutron freigesetzt wurde, war die Grundlage für die Erzeugung von Kettenreaktionen und damit von „Neutronenstrahlen“ gelegt, auch wenn der Weg bis zum routinemäßigen wissenschaftlichen Einsatz noch einige Jahre dauerte und bis heute der Optimierungsprozess nicht abgeschlossen ist. Maschinen, die die kontrollierte Kettenreaktion bei der Spaltung ausnutzen bezeichnet man als Kernreaktoren.
Neben der sich selbst erhaltenden Kettenreaktion ist es auch möglich, geeignete Atome („Targets“, z.B. Blei oder Wismut) mit Sekundärteilchen, z.B. Protonen zu beschießen und dadurch freie Neutronen zu erzeugen. Diese Reaktion erhält sich aber nicht selber und erlischt, wenn der Beschuss aufhört. Diese Art von Neutronenquelle bezeichnet man als Spallationsquelle.
Alles in allem gilt, dass die kontrollierte Erzeugung von intensiven, wohl definierten Neutronenstrahlen, obwohl die Materie überwiegend aus Neutronen besteht, stets aufwändige kerntechnische Anlagen benötigt.
Zwar sind Neutronen ein einzigartiges Werkzeug, um der Materie ihre Geheimnisse zu entlocken, verschiedene Aufgabenstelllungen erfordern aber verschiedene „Arten“ von Neutronen.
Wellenlänge an Aufgaben anpassen
Neutronen an sich sind ununterscheidbar. Will man sie an spezielle Aufgaben anpassen, so ist es nur möglich, ihre Energie und damit ihre Wellenlänge, anzupassen oder ihre magnetischen Eigenschaften einzustellen. Um den Ort der Atome in einem metallischen Werkstück zu bestimmen benötigt man Wellenlängen in der Größenordnung derselben, also 0,1 nm oder zur Ausmessung der globulären Struktur eines Proteins Neutronen im nm Bereich. Silizium lässt sich besonders gut mit thermischen und eben nicht mit schnellen Neutronen für die Halbleiterindustrie dotieren. Wie im täglichen Leben wird die Dicke eines Haares nicht mit einem Meterstab bestimmt , aber sehr wohl mit einer Mikrometerschraube.
Neutronen nach Energie unterscheiden
Es hat sich eingebürgert, die Neutronen hinsichtlich Ihrer Energie zu unterscheiden. Man unterscheidet je nach Energie hochenergetische, Spalt-, heiße, thermische kalte und ultrakalte Neutronen. Darüber hinaus ist es möglich, durch Anlegen geeigneter Magnetfelder die magnetischen Eigenschaften der Neutronen zu synchronisieren und damit z. B. Magnetfelder im Inneren von Festkörpern zu messen. Man spricht dann von polarisierten Neutronen.
Die energetische Konditionierung der Neutronen erfolgt durch Wechselwirkung mit verschiedenen, jeweils der Energie/Temperatur angemessenen, Moderatoren unterschiedlicher Temperatur. Da in der Physik die Größen Energie, Temperatur (E = kB × T), Wellenlänge (E = ħ × ω) und Geschwindigkeit (E = ½ mn × v2) nur unterschiedliche Beschreibungen desselben Phänomens sind, werden die Begriffe oft synonym verwendet. Meist werden folgende Energiegruppen unterschieden:
Bezeichnung | Energie | Temperatur | Wellenlänge | Geschwindigkeit |
---|---|---|---|---|
Hochenergetische Neutronen | >20 MeV | |||
Spaltneutronen | 2 MeV | |||
Schnelle/heiße Neutronen | 40 – 103 meV | 2300 K | 0,05 nm | 5 km/s |
Thermische Neutronen | 3 – 150 meV | 300 K | 0,2 nm | 2,2 km/s |
Kalte Neutronen | 0,1 – 20 meV | 25 K | 0,2 - 25 nm | 600 m/s |
Ultrakalte Neutronen | 10-6 – 0,01 meV | mK | 10 - 1000 nm | 5 m/s |
Äquivalenz von Energie, Temperatur, Wellenlänge und Geschwindigkeit von Neutronen. Die Grenzen sind i. d. R. nicht scharf definiert. |
Um für die wissenschaftliche Nutzung jeweils Neutronen geeigneter Energie bereitzustellen, verfügt der FRM II über verschiedene sogenannte Sekundärquellen. Allen gemeinsam ist, dass sie weitestgehend im Maximum des thermischen Flusses, im Moderatortank ca. 30 cm vom Reaktorzentrum entfernt, angeordnet sind.
Weitere Informationen auf Englisch (pdf): Experimental facilities