Fakten zur Bedeutung und Forschung der Umrüstung
In einer Nebenbestimmung der Betriebsgenehmigung des FRM II von 2003 heißt es, dass die Umrüstung bis Ende 2010 zu erfolgen habe, vorausgesetzt ein geeigneter Brennstoff wäre vorhanden. Nur mittels eines geeigneten, dichteren, Brennstoffs kann im bestehenden Brennelement und bei gleicher thermischer Leistung des FRM II die Anreicherung des spaltbaren Urans auf unter 50 % abgesenkt werden. Diese Umrüstung konnte nicht im vorgesehenen Zeitrahmen erfolgen, da die notwendige Voraussetzung - ein geeigneter, qualifizierter und dichterer Brennstoff - nicht erfüllt war. Auch heute – Stand: 2024 – ist ein solcher Brennstoff nicht für den Einsatz in Hochleistungs-Forschungsreaktoren wie dem FRM II qualifiziert. Die TUM arbeitet, gemeinsam mit den Europäischen und internationalen Partnern, unverändert und mit großem Einsatz an der Qualifizierung des für die Umrüstung ausgewählten Brennstoffs.
Bis heute wurde noch kein Hochleistungs-Forschungsreaktor wie der FRM II umgerüstet.
Weltweit (außerhalb Russlands) sind folgende Hochleistungs-Forschungsreaktoren und -Neutronenquellen mit hochangereichertem Uran in Betrieb:
Name | Reaktortyp | Land | Erstkritikalität | Therm. Leistung | Brennstoff | Anreicherung |
---|---|---|---|---|---|---|
FRM II | Strahlrohr | Deutschland | 2004 | 20 MW | U3Si2/Al | 93% |
RHF | Strahlrohr | Frankreich | 1971 | 58,3 MW | UAlx/Al | 93% |
BR2 | MTR* | Belgien | 1961 | 100 MW | UAlx/Al | 93% |
MITR | Strahlrohr | USA | 1958 | 6 MW | UAlx/Al | 93% |
NBSR | Strahlrohr | USA | 1967 | 20 MW | UO2/Al | 93% |
MURR | Strahlrohr | USA | 1966 | 10 MW | UAlx/Al | 93% |
ATR | MTR | USA | 1967 | 250 MW | UAlx/Al | 93% |
HFIR | Strahlrohr | USA | 1965 | 100 MW | U3O8/Al | 93% |
*) Materialtestreaktor
Weltweit wurden bisher über 70 Reaktoren umgerüstet. In Deutschland wurden bereits zwei Reaktoren erfolgreich auf LEU umgerüstet: BER 2 (1997 – 2000) und DIDO (2004). Beide sind bereits außer Betrieb. (Stand: 2024).
Seit der Brennstoff-Entscheidung im Jahr 2023 beschäftigt sich ein abteilungsübergreifendes Projekt (HEU-LEU) mit der konkreten technischen Umsetzung der Umrüstung des FRM II. Dieses Projekt wird wissenschaftlich begleitet durch das TUM Center for Nuclear Safety and Innovation (TUM.CNSI), welches u. a. die reaktorphysikalische Auslegung und Computer-Simulation der neuen Brennelemente durchführt.
Parallel arbeitet die TUM im europäischen HERACLES-Konsortium gemeinsam mit Partnern aus Frankreich und Belgien an der Qualifizierung des monolithischen U-10Mo Brennstoffs. Auch die USA betreiben sehr großen Forschungsaufwand, wobei sich die Forschergruppen beider Kontinente intensiv über die Ergebnisse austauschen.
Um die Fertigung der neuen Brennelemente zu entwickeln und zu industrialisieren, arbeitet die TUM seit 2019 eng mit der französischen Firma FRAMATOME zusammen. Im April 2024 wurde hierzu die Phase 2 des Projekts – die Optimierung der Fertigungstechniken sowie die Vorbereitung der Industrialisierung – gestartet.
Im Oktober 2024 startet zudem das von der Europäischen Union (Euratom) geförderte Projekt EU-CONVERSION des HERACLES-Konsortiums. Dieses Projekt hat u. a. die reaktor-spezifische Qualifizierung des für den FRM II ausgewählten Brennstoffs sowie die Validierung modernster Computer-Simulationsmethoden für reaktorphysikalische Berechnungen zum Ziel.
Einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Die Kosten für die wissenschaftlichen Arbeiten teilen sich die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern, bzw. sind zu kleineren Teilen durch Förderprojekte der Europäischen Union getragen. Die Arbeiten an der konkreten betrieblichen Umsetzung der Umrüstung werden ausschließlich vom Freistaat Bayern getragen.
Fakten zu den Brennstoffkandidaten
Bis zur Brennstoff-Entscheidung im Jahr 2023 arbeitete die TUM, in Kooperation mit internationalen Partnern u. a. im HERACLES-Konsortium, an der Entwicklung und Qualifizierung der drei wesentlichen Brennstoffkandidaten: neben dem monolithischen U-10Mo-Brennstoff, welcher als einziger ein LEU-Brennelement am FRM II ermöglicht und jetzt ausgewählt wurde, waren das auch disperses U-7Mo und hochdichtes Uransilizid (U3Si2).
Seit 2023 arbeitet die TUM ausschließlich am monolithischen U-10Mo Brennstoff und fokussiert ihre Aktivitäten auf die Qualifizierung und Fertigung dieses Brennstoffs.
Zwar ist jeder Forschungsreaktor und damit auch jedes Brennelement für den jeweiligen Reaktor verschieden, jedoch wird durch die Forschungsarbeit der TUM und durch den Genehmigungsprozess, den ein neuer Brennstoff in Deutschland durchläuft, auch eine Qualifizierung des Brennstoffs in anderen Ländern und für andere Hochfluss-Neutronenquellen einfacher.
Fakten zur Umrüstung "Von HEU zu LEU"
Zur Kompensation der niedrigeren Anreicherung muss das spaltbare Uran dichter gepackt werden, um den Nutzerinnen und Nutzern weiterhin Neutronen ohne unverhältnismäßige Einbußen bereitstellen zu können. Der hierfür geeignete und für die Umrüstung des FRM II ausgewählte Brennstoff – monolithisches U-10Mo – wird derzeit durch die TUM, in Kooperation mit internationalen Partnern u. a. im HERACLES-Konsortium, entwickelt und qualifiziert sowie entsprechende Fertigungstechniken vorbereitet. Gleichzeitig beschäftigt sich alleine am FRM II eine ca. zwanzigköpfige Forschungsgruppe mit der Entwicklung und Optimierung eines Brennelement-Designs auf Basis von LEU.
Es gibt einen Fahrplan für die Umrüstung, der konkrete Schritte in den nächsten Jahren vorsieht. So soll der Genehmigungsantrag für ein neues Brennelement Ende 2025 bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Im Anschluss an das Genehmigungsverfahren und die Genehmigungserteilung gibt es eine Übergangsphase, gefolgt vom Regelbetrieb mit LEU-Brennelementen.
Als die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern über die Umrüstung des FRM II im Jahr 2003 in Kraft trat, erschien damals international der disperse Uranmolybdän-Brennstoff (U-7Mo) ein vielversprechender Kandidat zu sein. Diese Hoffnungen wurden Ende 2004 enttäuscht, als einige Testplatten dieses Brennstoffes bei Testbestrahlungen in Testreaktoren in den USA und in Europa übermäßig anschwollen und aufplatzten. Die darauf erfolgten metallurgischen Verbesserungen des Brennstoffs erwiesen sich in Testbestrahlungen um 2013 als nicht hinreichend für eine atomrechtliche Genehmigung.
Daraufhin arbeitete die TUM verstärkt am monolithischen U-10Mo-Brennstoff, welcher sich metallurgisch gutmütiger verhält und zudem eine Absenkung der Anreicherung auf unter 20 % U-235 (low-enriched uranium, LEU) machbar erscheinen ließ. Auch für diesen Brennstoff sind umfangreiche Bestrahlungskampagnen in Materialtestreaktoren erforderlich:
Dauer einer typischen Testbestrahlung
- Design und Entwicklung: 1-2 Jahre
- Fertigung: 1 Jahr
- Bestrahlung und Abklingen: 1 Jahr
- Nachbestrahlungs-Untersuchungen: 1-2 Jahre
Da die verschiedenen Bestrahlungstests aufeinander aufbauen, werden die Tests seriell ausgeführt.
Es gibt nun einen Fahrplan für die Umrüstung (siehe vorherige Frage), nach dem der Genehmigungsantrag für einen neues Brennelement Ende 2025 eingereicht werden soll.
Die französische Herstellerfirma der jetzigen Brennelemente für den FRM II, FRAMATOME, steht für die bevorstehende Umrüstung des FRM II als Fertigungspartner bereit und hält die Fertigung der geplanten neuen LEU-Brennelemente für möglich. Seit 2019 bestehen umfangreiche Zusammenarbeiten mit FRAMATOME, welche die Bereitstellung des ersten, niedrig angereicherten Brennelements Anfang der 2030er-Jahre als konkretes Ziel haben.
Seit November 2022 gibt es reaktorphysikalische Berechnungen, die zeigen, dass der Betrieb des FRM II mit einem niedrig angereicherten Brennstoff (LEU, < 20 % Uran-235-Anreicherung) theoretisch möglich ist. Hierfür wird monolithisches U-10Mo, der Brennstoff mit der höchsten erreichbaren Urandichte, verwendet.
Eine der Voraussetzungen der Umrüstung ist es, dass die äußere Geometrie der Brennelemente unverändert bleibt und so einen kosten- und zeitintensiven Umbau im Reaktorbecken erspart.
Der Neutronenfluss eines LEU-Brennelements am FRM II wird gemittelt über alle wissenschaftlichen Instrumente maximal 10 % niedriger sein als beim jetzigen HEU-Brennelement. Das ist auch eine der Voraussetzungen für die Umrüstung auf niedriger angereichertes Uran: Der FRM II wird weiterhin eine Hochfluss-Neutronenquelle sein und Spitzenforschung mit Neutronen ermöglichen.
Von einem frischen Brennelement, gleich ob aus LEU oder HEU, geht keine radiologische Gefährdung aus. Es ist nur sehr schwach radioaktiv und sendet fast ausschließlich leicht abschirmbare α-Strahlung aus. Benutzte Brennelemente, wiederum gleich ob aus LEU oder HEU, sind auf Grund der erzeugten Spaltprodukte hochradioaktiv und müssen entsprechend behandelt werden.