Radioisotope für Diagnostik
Die Nuklearmedizin nutzt Radioisotope zur Diagnose bei Erkrankungen der Schilddrüse und anderer Organe wie Lunge, Herz, Leber, Galle und dem Skelettapparat.
Das für die Nuklearmedizin wichtigste und am häufigsten eingesetzte Isotop ist Technetium-99m, das Tochterisotop von Molybdän-99 (Mo-99). Es wird sehr breit zu diagnostischen Zwecken eingesetzt und entsteht in der Regel als Spaltprodukt bei der Bestrahlung von Uran. In bis zu 80 % der Anwendungen in der in-vivo Diagnostik wird das Radioisotop Tc-99m verwendet. Dies entspricht über 30 Millionen Untersuchungen weltweit jedes Jahr.1 Allein in Deutschland werden wöchentlich etwa 60 000 Untersuchungen mit Tc-99m durchgeführt.2 Dies entspricht etwa einem Zehntel des weltweiten Bedarfs an Tc-99m. Es findet Anwendung zur Untersuchung der Schilddrüsenfunktion, aber auch zur Diagnose bei Erkrankungen anderer Organe wie Lunge, Herz, Leber, Galle und dem Skelettapparat.
Zukünftig wird auch Molybdän-99 am FRM II in großen Mengen hergestellt werden.
Mo-99 Gewinnung durch Bestrahlung
Die effizienteste und meist genutzte Methode zur Produktion von Mo-99/Tc-99m ist diejenige mittels Kernspaltung. Die Gewinnung von Tc-99m führt über die Spaltung von U-235 zum Spaltprodukt Mo-99, das mit einer Halbwertszeit von 66 Stunden zu Tc-99m zerfällt. Das metastabile Isotop Tc-99m geht mit einer Halbwertszeit von nur sechs Stunden durch Aussendung von niederenergetischer Gammastrahlung in den Grundzustand Tc-99 über. Die Halbwertszeit ist die Zeit, in der die Hälfte eines radioaktiven Stoffes zerfallen ist. Da sowohl Mo-99 mit 66 Stunden als auch Tc-99m mit 6 Stunden nur kurze Halbwertszeiten haben, wird unmittelbar deutlich, dass das in der Medizin meist genutzte Radioisotop Tc-99m nicht gelagert werden kann. Daher müssen die Schritte in der gesamten Produktionskette zügig und gut aufeinander abgestimmt ablaufen, um die Krankenhäuser rechtzeitig mit der notwendigen Menge an Tc-99m zu beliefern.
Nach erfolgter Bestrahlung der Uran Targets (Al-umhüllte Platten oder Röhrchen beladen mit 19,75% angereichertem U-235), typischerweise über einen Zeitraum von sechs Tagen, werden diese anschließend in hierfür spezialisierten Laboratorien (Prozessor) chemisch aufgelöst und das in den Targets gebundene Mo-99 abgetrennt. Zur Verwendung in Krankenhäusern wird das Mo-99 in sogenannten Mo-99/Tc-99m-Generatoren verpackt. In diesen Generatoren zerfällt das Mo-99 mit seiner Halbwertszeit von 66 Std. zu Tc-99m, das dann in einer chemischen Säule vor Ort im Krankenhaus eluiert bzw. „herausgemolken“ wird. Je nach Anwendung kann das Tc-99m anschließend an ein geeignetes, „intelligentes“ Trägermolekül, das später in der Patientin, im Patienten entsprechende Strukturen, z.B. Tumorzellen, erkennt und dort andockt, gekoppelt werden. Patientinnen und Patienten wird Tc-99m injiziert, dabei sendet es Gammastrahlung aus, die dann ortsabhängig vermessen wird. Tc-99m sendet bei Zerfall zu Tc-99 Gammastrahlung aus, die dann ortsabhängig vermessen wird. Die kurze Lebensdauer des Diagnose- oder Therapieisotops Tc-99m von 6 Stunden und die geringe Energie der Gammastrahlung minimieren die Strahlenbelastung der Patientin oder des Patienten.
Wesentlicher Beitrag des FRM II zur Versorgungssicherheit Mo-99/Tc-99m
Aufgrund der Kurzlebigkeit des Ausgangsisotops Mo-99 und dem großen Bedarf an Mo-99/Tc-99m benötigt Europa – und ebenfalls Deutschland als größter Einzelverbraucher – eine eigene mittel- und langfristig gesicherte Versorgungskette für Mo-99/Tc-99m. Mit der Fertigstellung der zurzeit im Bau befindlichen Mo-99 Bestrahlungsanlage wird der FRM II wesentlich zur weltweiten Versorgungssicherheit von Mo-99/Tc-99m beitragen.
Weltweite Bemühungen zur Sicherstellung der Versorgung mit Mo-99/Tc-99m
Weltweit arbeiten die derzeitigen und zukünftigen Betreiber von Bestrahlungsanlagen zur Produktion von Mo-99 sowie Vertreter aller in der Versorgungskette beteiligten Industriepartner in einer von der OECD/NEA gegründeten Arbeitsgruppe, in der sogenannten HLG-MR (High-level Group on the Security of Supply of Medical Radioisotopes), zusammen, um die nachhaltige Versorgung mit dem Radioisotop Mo-99/Tc-99m auch in künftigen Jahren sicherzustellen. Die Ergebnisse dieser Gruppe werden regelmäßig von der OECD/NEA auf ihren Webseiten veröffentlicht.
Referenzen:
1The Supply of Medical Radioisotopes: The Path to Reliability, ISBN-978-92-64-99164-4, OECD 2011
2Radionuklidengpass: Ursachen und Lehren, A. Bockisch, F. Gründwald, J. Kotzerke; Nuklearmedizin 2009; 48:55-57