Ein-Aus-Schalter, wie wir sie aus unserem Alltag zum Beispiel vom Lichtschalter kennen, gibt es nicht nur im Großen, sondern auch im ganz Kleinen, als sogenannte Nanoschalter. Dafür macht man sich die besonderen Eigenschaften stimuli-responsiver Polymere zu Nutze. Diese Stoffe ändern ihre Form abhängig von Umweltfaktoren wie Druck, Temperatur oder Art des Lösungsmittels. „Nanoschalter werden deshalb zum Beispiel zur Bedienung sehr kleiner Federbalken eingesetzt“, erklärt Christina Geiger. Die Doktorandin forscht am Lehrstuhl für Funktionelle Materialien an der Technischen Universität München (TUM), der von Prof. Dr. Peter Müller-Buschbaum, dem wissenschaftlichen Direktor des FRM II, geleitet wird.
Wie funktioniert ein Nanoschalter?
Mikroskopisch kleinen Bauteile werden mit dem stimuli-responsiven Polymer beschichtet. Ändert die dünne Polymerschicht ihren Lösemittelgehalt, führt dies zu kleinen, aber messbaren Dickenänderungen im Nanometerbereich. Diese werden zur Auslenkung der Federbalken, genannt Cantilever, genutzt. „Schaltbare Cantilever sind sehr vielfältig in der Anwendung. Beispielsweise kann man damit in der Halbleitertechnik einzelne Nanodrähte positionieren“, betont Christina Geiger den großen Nutzen erweiterter Nanoschalter.
Nanoschalter mit drei Funktionen
Bisher haben Nanoschalter eine Ein- und eine Aus-Funktion, da die verwendeten stimuli-responsiven Polymere je nach Umgebungsbedingung zwei stabile Zustände annehmen. Forscherinnen und Forschern der Technischen Universität München und der Universität Potsdam ist es nun gelungen, diese binären Schalter entscheidend zu erweitern. Sie konnten erstmals die Existenz eines Nanoschalters nachweisen, der mit drei stabilen Zuständen eine Ein-, eine Aus- und eine Standby-Funktion annehmen kann. Der dafür genutzte Polymerfilm wird mit Stickstoff, reinem Wasserdampf oder einem Wasser-Aceton-Gemisch umgeben. Entsprechend der Umgebung ändert sich die Form des Polymers zu trocken, geschwollen oder zusammengezogen. Die drei stabilen Zustände lassen sich aufgrund ihrer verschiedenen Schichtdicken klar voneinander unterscheiden und können damit den Nanoschalter-Positionen Ein (trockener Zustand mit Stickstoff), Aus (geschwollener Zustand mit Wasser) und Standby (zusammengezogener Zustand mit Wasser/Aceton) zugeordnet werden.
Neutronen machen Schaltvorgang sichtbar
Um die genauen Schichtdicken im Bereich von 100 Nanometern zu messen und die Übergänge von einem Gleichgewichtszustand in den nächsten zu beobachten, kam das Neutronenreflektometer REFSANS am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ) in Garching zum Einsatz. Das Besondere an diesem Instrument: es lassen sich gleichzeitig Neutronen mit unterschiedlichen Wellenlängen für die Messungen nutzen. „Mithilfe dieses breiten Spektrums erhalten wir viele Sofortaufnahmen der Probe und können auch schnelle Strukturveränderungen leicht verfolgen“, erklärt Instrumentwissenschaftler Dr. Jean-François Moulin vom Helmholtz-Zentrum Hereon, der die Messungen am REFSANS durchgeführt hat.
Anwendung in Sensorik
Mit ihrer Dreifachfunktion eröffnen sich für die neuartigen Nanoschalter interessante Anwendungsmöglichkeiten, gerade im Bereich der Sensorik. „Die Erweiterung mit einer dritten Schalterposition ermöglicht, dass bei Cantilever-Hebeln einmal etwa ein Drücken, ein Ziehen und eine neutrale Position eingenommen werden könnte“, führt Christina Geiger aus. Ein weiteres Beispiel seien Durchflusskontrollen auf Nanoebene, wobei sich neben einem geöffneten und einem geschlossenen Zustand auch ein geregelter Durchfluss mit der dritten Stufe erreichen ließe. Dadurch könnten zum Beispiel Stoffe für chemische Reaktionen leichter dosiert werden.
Originalpublikation:
C. Geiger, J. Reitenbach, C. Henschel, L. P. Kreuzer, T. Widmann, P. Wang, G. Mangiapia, J.-F. Moulin, C. M. Papadakis, A. Laschewsky, and P. Müller-Buschbaum. (2021), Ternary Nanoswitches Realized with Multiresponsive PMMA-b-PNIPMAM Films in Mixed Water/Acetone Vapor Atmospheres. Adv. Eng. Mater. 2100191. DOI: 10.1002/adem.202100191