Dr. Giovanna Giulia Simeoni, Post-Doc an der Forschungs-Neutronenquelle FRM II, hat in ihrer Doktorarbeit an der Universität Rom La Sapienza bewiesen, dass sich in dem so genannten superkritischen Bereich eindeutig zwei Phasen unterscheiden lassen: eine, die sich wie eine Flüssigkeit verhält, und eine gasartige. Obwohl sich das Volumen bei einem Übergang von der einen Phase in die andere nicht ändert, ist der Übergang scharf und thermodynamisch festgelegt durch die so genannte „Widom Linie“. Ihre fundamentalen Einblicke in das Verhalten von superkritischen Fluiden, die Giovanna Simeoni nun mit Neutronenstreuung am FRM II verfeinern will, hat die Physikerin in der renommierten Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht.
Bislang war man der Meinung, dass es keine Möglichkeit gibt, nach dem kritischen Punkt thermodynamisch zwischen Phasen zu unterscheiden. Dr. Giovanna Giulia Simeoni, Dr. Mario Santoro und ihre Kollegen nutzten jedoch einen Trick: Sie untersuchten die Ausbreitung von Hyperschallwellen in superkritischem, fluiden Argon, das unter hohem Druck und hoher Temperatur stand. Je nach Aggregatszustand des Stoffes werden die Schallwellen von den Atomen unterschiedlich weitergeleitet. Mit hochempfindlicher inelastischen Röntgenstreuung stellten Simeoni und ihre Kollegen fest, dass es möglicherweise zwei verschiedene Arten der Schallweiterleitung nach dem kritischen Punkt gibt: eine, wie sie für Flüssigkeiten typisch ist, und eine für Gase typische.
Dr. Giovanna Simeoni, die zweite Instrumentverantwortliche am Flugzeitspektrometer TOFTOF des FRM II ist, will nun Neutronen nutzen, um die superkritische Phase weiter zu untersuchen. Denn das Wissen um die Eigenschaften dieser neu entdeckten Phase würde nicht nur in der Grundlagenphysik eine entscheidende Rolle spielen, sondern auch in der Astrophysik und bei Industrieanwendungen wie der Nanotechnologie oder Müllverarbeitung. „Wir müssen jetzt eine ganz neue Thermodynamik nach dem kritischen Punkt entwickeln. Neutronen können zusätzliche Daten zu denen der Röntgenstrahlen liefern“, erklärt Giovanna Simeoni. Vor allem deshalb entwickelt die 28-Jährige einen fokussierenden Neutronenleiter für das TOFTOF, der die Neutronen auf ein Feld von 0,5 mal 0,5 Zentimeter bündeln soll. Nur so lässt sich ein hoher Neutronenfluss auf der kleinen Hochdruckzelle erreichen, die für diese Experimente verwendet wird..
Originalveröffentlichung:
The Widom line as the crossover between liquid-like and gas-like behaviour in supercritical fluids
G. G. Simeoni, T. Bryk, F. A. Gorelli, M. Krisch, G. Ruocco, M. Santoro and T. Scopigno
Nature Physics
Published online: 6 June 2010 DOI: 10.1038/NPHYS1683