1. Warum ist die Umstellung von hoch angereichertem Uran (highly enriched uranium: HEU) auf niedrig angereichertes Uran (low enriched uranium: LEU) am FRM II nicht möglich?
Hoch angereichertes Uran enthält bis zu 93 Prozent des spaltbaren Urans 235. Niedrig angereichertes Uran enthält weniger als 20 Prozent Uran 235. Die verbleibenden 80 Prozent sind fast ausschließlich Uran 238. Nur bei der Kernspaltung von Uran 235 entstehen die Neutronen, die der FRM II für die wissenschaftlichen Experimente nutzt. Um bei verminderter Anreicherung des spaltbaren Urans im Brennstoff den gleichen hohen Fluss an Neutronen zu erhalten, muss das Uran im Brennelement zumindest um so viel dichter gepackt werden, wie die Anreicherung abgenommen hat. Da das beigemischte Uran 238 jedoch zusätzlich Neutronen absorbiert, muss diese Verdichtung überproportional geschehen. Würde man den jetzigen Kompaktkern des FRM II auf LEU umrüsten, so würde die Menge des Uran 235 von derzeit 7,5 kg auf über 20 kg ansteigen und eine Dichte des Urans von 40 g/cm3 erfordern. Die theoretisch höchste Dichte ist die des metallischen Urans von 19, 05 g/cm3. Die Umrüstung des bestehenden Reaktorkerns des FRM II auf LEU ist deshalb physikalisch unmöglich. Qualifiziert sind heute Brennstoffe mit einer maximalen Urandichte von 4,8 g/cm3. Internationale Forschungsbemühungen zielen auf Dichten von 8 - 16 g/cm3. Einen solchen Brennstoff vorausgesetzt, müsste für eine Umrüstung des FRM II auf einen LEU-Kern dessen Geometrie vergrößert und die thermische Leistung erhöht werden.
2. Warum wird der FRM II Ende 2010 nicht auf MEU umgerüstet?
Wiederum vorausgesetzt, es gibt geeignete dichtere Brennstoffe, kann im bestehenden Brennelemt und bei gleicher thermischer Leistung des FRM II die Anreicherung des spaltbaren Urans auf 40 - 50 % (medium enriched uranium, MEU) abgesenkt werden. In einer Nebenbestimmung der Betriebsgenehmigung des FRM II von 2003 heißt es, dass diese Umrüstung bis Ende 2010 zu erfolgen hat. Diese Umrüstung kann aber nicht in dem Zeitrahmen stattfinden, weil die Voraussetzung - ein geeigneter dichterer Brennstoff - nicht erfüllt ist.
3. Was wird derzeit von der Technischen Universität München konkret zur Umrüstung unternommen?
Unmittelbar nachdem die Betriebsgenehmigung im Jahr 2003 erteilt wurde, hat eine Arbeitsgruppe der TUM mit der Erforschung hochdichter Uranbrennstoffe begonnen. Sie untersucht derzeit zwei mögliche Brennstoffe aus Uranmolybdän: einmal in Pulverform vermischt mit Aluminium und einmal als durchgehende Platte. In beiden Fällen ist die eigentliche Brennstoffzone noch in einer Art Bilderrahmen aus Aluminium eingefasst. Die Test-Bestrahlungen der gefertigten Brennstoffplatten erfolgen in anderen Reaktoren in Europa. Für die pulverförmige Variante sind die Bestrahlungstests der TUM die derzeit weltweit fortgeschrittensten. Für die plattenförmige Variante wird zur Zeit eine Fertigungstechnik entwickelt, mit der Brennstoffplatten aus dem spröden Material Uranmolybdän in industriellem Maßstab hergestellt werden können. Einmalig ist, wie die TUM-Forscher die Strahlenschäden im Uranmolybdän-Brennelement durch Bestrahlung am Maier-Leibnitz-Laboratorium (MLL) der LMU und der TUM simulieren und in aufwändigen Computersimulationen Szenarien für den Einsatz des Kernbrennstoffes entwickeln.
4. Wieso dauert die Entwicklung des neuen Brennstoffes so lange?
Als die Vereinbarung über die Umrüstung im Jahr 2003 für den FRM II zwischen Bund und dem Land Bayern geschlossen wurde, erschien damals international der pulverförmige Uranmolybdän-Brennstoff ein vielversprechender Kandidat. Die Hoffnungen wurden erstmals Ende 2004 enttäuscht, als einige Platten dieses Brennstoffes bei Testbestrahlungen in den USA und in Europa aufplatzten.
Nun werden weltweit neue Platten aus in der Zusammensetzung verändertem Material getestet. Für eine Testbestrahlung dauert die Antragsgenehmigung etwa ein Jahr. Daran schließt sich eine Bestrahlungszeit von eineinhalb Jahren in einem Reaktor an. Die Abklingzeit der hochradioaktiven Brennstoffplatten beträgt noch einmal bis zu einem Jahr. Derzeit läuft ein Testzyklus mit einem neu entwickelten pulverförmigen Uranmolybdän. Falls dieser positiv verläuft, dauert es mindestens bis 2014, bis ein abschließender Bestrahlungszyklus stattfinden kann, der das Material als geeigneten Brennstoff qualifiziert.
5. Kommt das Uran des FRM II aus Russland?
Nicht nur, sondern auch aus den USA. Wichtig ist, dass es aus militärischen Abrüstungsbeständen stammt. Der Brennstoff wird ausschließlich im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages und unter Abschluss bilateraler Staatsverträge geliefert.
6. Kann man aus einem HEU-Brennelement des FRM II tatsächlich eine Atombombe bauen?
Dies ist absurd. 8 kg Uran befinden sich in der chemischen Form einer Keramik auf 3 g/cm3 verdünnt in einem Brennelement des FRM II. Der FRM II benötigt vier Brennelemente pro Jahr. 24 kg reines metallisches Uran sind theoretisch für den Bau einer Bombe notwendig. Nie wurden seit der friedlichen Nutzung von Kerntechnik Brennelemente aus Forschungsreaktoren entwendet, weil hier die lückenlose Kontrolle der Internationalen Atomenergieorganisation in Wien greift.
7. Ist die Technische Universität München alleine auf der Suche nach einem neuen, hochdichten und niedriger angereichertem Brennstoff?
Die TUM bildet in diesem Projekt einen Forschungsverbund mit Frankreich. Auch die USA betreiben sehr großen Forschungsaufwand, sodass es über die Ergebnisse einen gegenseitigen intensiven Austausch gibt. Weltweit werden derzeit 46 Forschungsreaktoren (außerhalb Russlands) mit HEU betrieben. Für 19 dieser leistungsfähigen Forschungsreaktoren gibt es noch keinen hochdichten Brennstoff, um sie auf niedrigere Anreicherung umzurüsten. Der mit Abstand größte Teil dieser noch nicht umrüstbaren Forschungsreaktoren steht in den USA.
8. Wie hat sich die USA zu dem neuen FRM II geäußert?
In einem Schreiben an den damaligen bayerischen Wissenschaftsminister Hans Zehetmair betonte im Jahr 2002 der stellvertretende amerikanische Generalkonsul Dr. Daniel E. Turnbull im Nahmen der US-Regierung, dass man den FRM II „niemals als Proliferationsrisiko angesehen" habe. Die USA habe keine Bedenken in Bezug auf die nuklearen Materialien, schrieb der stellvertretende Generalkonsul.
9. Wie viel kostet die Entwicklung des neuen Brennstoffes für den FRM II?
Einen zweistelligen Millionenbetrag, den sich die Bundesrepublik Deutschland und das Land Bayern teilen.
10. Warum gehen die deutschen Neutronenforscher nicht einfach an die internationale Neutronenquelle ILL in Grenoble, Frankreich?
Forschung ins Ausland abwandern zu lassen, ist keine Lösung. Im übrigen wird auch die Forschungsneutronenquelle des ILLs - da besonders leistungsstark - mit HEU betrieben. Der FRM II ist nicht nur für deutsche Forscher notwendig. Jährlich kommen 1000 Gastwissenschaftler aus der ganzen Welt nach Garching, um hier ihre Experimente mit Neutronen durchzuführen. Sowohl am FRM II als auch an der Einrichtung in Frankreich ist die Nachfrage nach Forschungsmöglichkeiten so groß, dass beide Neutronenquellen dringend benötigt werden. Die Nachfrage nach Messzeit ist doppelt so hoch wie die verfügbare Zeit. Es wird deshalb sogar über eine europäische Spallationsneutronenquelle nachgedacht.
11. Ist LEU oder HEU radioaktiver?
Von einem frischen Brennelement, gleich ob aus LEU oder HEU, geht keine Gefährdung für Menschen aus. Es ist nur sehr schwach radioaktiv. Benutzte Brennelemente sind hochradioaktiv und bedürfen selbst langfristig besonderer Abschirmmaßnahmen. Die radioaktive Strahlung eines abgebrannten hochangereicherten Brennelements rührt im wesentlichen von den Spaltprodukten mit einer langfristig dominierenden Zerfallszeit von 30 Jahren. Ein abgebranntes niedrig angereichertes Brennelement enthält wesentliche Mengen von Plutonium mit einer langfristig dominierenden Zerfallszeit von 24 000 Jahren. Deshalb ist die radioaktive Bürde eines ursprünglichen HEU-Brennelements um Größenordnungen geringer.