15.09.2014
„Zerstörungsfreie Prüfung für die Mobilität und Energie der Zukunft“ war der Titel des 5. VDI Expertenforums, das in Zusammenarbeit mit dem Heinz-Maier-Leibnitz Zentrums (MLZ) am 11. September 2014 in Garching stattfand. Mit gut 80 Teilnehmern hat sich dieser Workshop inzwischen offenbar einen festen Platz unter den Entwicklern und Prüfern erarbeitet und zieht viele industrielle Anwender an, zumal auch die Vorträge ausschließlich aus der Praxis stammten.
Prof. Dr. Winfried Petry, Direktor am MLZ, führte in seiner Eröffnungsrede einige Beispiele aus Projekten mit Industriekunden an, die eindrucksvoll zeigen konnten, welches Potential Neutronen für die zerstörungsfreie Prüfung und Analyse haben. Er erläuterte auch kurz, welche Möglichkeiten Industriekunden zur Messung an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibniz (FRM II) haben („publish or pay“) und welchen Service sie erwarten können. Außerdem verwies er auf die hohe Anzahl hervorragend ausgebildeten Nachwuchses, überwiegend aus dem Bereich Materialwissenschaften.
Dr. Achim Eggert stellte in seiner Begrüßung den VDI und insbesondere den Fachausschuss für anwendungsnahe und zerstörungsfreie Werkstoffprüfung vor, der zwar erst seit 10 Jahren existiert, aber in dieser Zeit stetig an Bedeutung gewann. Zu den Gründungsmitgliedern zählt auch Dr. Ralph Gilles vom MLZ, der das Expertenforum mit initiierte und die Moderation und Organisation der Veranstaltung vor Ort übernahm.
Die Energiewende steht und fällt mit der Batterieforschung, die sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie mit enormem Einsatz vorangetrieben wird. So ist auch die Varta Storage GmbH Mitglied im TUM-eigenen Batteriegroßprojekt EEBATT (Dezentrale stationäre Batteriespeicher zur effizienten Nutzung erneuerbarer Energien und Unterstützung der Netzstabilität). Ihr Vertreter Dr. Alexander Hirnet stellte in seinem Vortrag die Anforderungen vor, die an die Batterien der Zukunft gestellt werden. Er führte gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Ralph Gilles zahlreiche Messungen mit Neutronen (Diffraktion, Kleinwinkelstreuung und Radiographie) durch und präsentierte die bisher erzielten Ergebnisse. Dr. Ingo Manke vom Helmholtz-Zentrum Berlin fügte einige Beispiele für bildgebende Verfahren mit Neutronen hinzu, die eindrucksvoll zeigten, welche Rolle die Lithiumverteilung (Batterien) und die Wasserverteilung (Brennstoffzelle) für die Funktion spielt.
Mit dem additiven Manufactoring stellte Dr. Hans-Uwe Baron von der MTU Aero Engines AG ein höchst interessantes Verfahren vor, mit dem Kleinserien gefertigt werden können. Dabei wird Metallpulver mit Hilfe eines Lasers aufgeschmolzen und so das Bauteil schichtweise aufgebaut ähnlich dem 3D-Druck. Eine IR-Kamera zeichnet den gesamten Aufbauprozess auf und liefert bis zu 5000 Bilder pro Bauteil, aus denen sich anschließend durch Überlagerung auch 3D-Bilder generieren lassen. Diese Online-Prozesskontrolle dient als Vorlage für die Methodik der Prüftechnik, die sich noch in der Entwicklung befindet.
Ebenfalls im Entwicklungsstadium befindet sich ein Prüfverfahren, das Michael Pfeiffer von der IMA Materialforschung und Anwendungstechnik GmbH in Dresden vorstellte. In der Fernwärmetechnik sind Kunststoffmantelrohre verbaut, deren Muffen und Verbindungsstücke laufend kontrolliert werden müssen. Prüfverfahren müssen zerstörungsfrei und baustellentauglich sein und die IMA hat sich für eine Kombination aus Phased-array- Ultraschall, Terahertzmessung und XCT-Computertomografie entschieden und will diese Technik zu einem Prüfverfahren weiter entwickeln.
Eigenspannungen waren auch im diesjährigen Expertenforum ein wichtiges, weil wirtschaftlich entscheidendes Thema. Sie betrifft Turbinenschaufeln, Zahnräder, Antriebsräder und vor allem Federn. Die Fragen drehen sich dabei laut Dr. Wolfgang Zinn vom Zentrum für Randschichtanalytik und -technologie vor allem darum, die richtigen Parameter für die Prüftechnik zu identifizieren und diese dann während der Serienfertigung zur Qualitätssicherung zu kontrollieren.
Diese Fragestellung treibt auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. in Augsburg um, wie Thomas Schmidt in seinem Vortrag erläuterte. Er zeigte ein Beispiel für eine in die Produktion integrierte Qualitätssicherung mit Hilfe von Kameras und Laserlichtschnittsensoren. Das Verfahren konnte durch den Einsatz von Robotern automatisiert werden.
Auch bei der Deutschen Bahn geht es um kontinuierliche Prüfverfahren, um die beiden unfallträchtigsten Schadstellen – Radbrüche und Wellenbrüche durch Risse – zu verhindern. Bernd Rockstock (GMH Prüftechnik GmbH, Nürnberg) zeigte einige Beispiele von Prüfständen und erwähnte, dass inzwischen wegen der Dimension der Folgen, die solche Schäden verursachen, über permanent mitlaufende Verfahren, also eine Überwachung während der Fahrt, nachgedacht würde.
Über die Auswahl der richtigen Prüfverfahren muss sich Peter Feddern von der Lufthansa Technik in Hamburg keine Gedanken machen, denn jeder Hersteller sowie das Luftfahrtbundesamt hat bereits feststehende und vorgeschriebene Prüfverfahren. In seinem Vortrag beschrieb er die Thermografie und die verschiedenen Formen des dafür nötigen Aufheizens durch Halogenlampen oder Heißluftfön; der Ausbau großer Teile und das Aufheizen im Ofen sind ebenfalls möglich, aber umständlich und zeitintensiv. Die Vorteile der Thermografie liegen für ihn auf der Hand: sie ist mobil einsetzbar, kostengünstig, schnell und erfordert keine spezielle Vorbehandlung. Nachteile sind aus seiner Sicht, dass nur oberflächennahe Fehler erkannt werden und dass sehr glänzende Oberflächen eventuell sogar geschwärzt werden müssen.
Windenergieanlagen stellen die Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart vor besonders schwierige Aufgaben, wie Dr.-Ing. Sandra Dugan in ihrem Vortrag erläuterte. Rotorblätter haben einen sehr komplexen, heterogenen und oft unbekannten Aufbau mit schwer prüfbaren Materialien. Demzufolge weisen sie ein breites Spektrum an Fehlertypen auf, deren Auswirkungen zu allem Überfluss in vielen Fällen gar nicht gänzlich bekannt sind. Eingesetzt werden Ultraschall, Thermografie und lokale Resonanzspektroskopie, aber alle Prüfverfahren sind noch am Anfang. Erschwert wird die Situation dadurch, dass während der Entwicklung der Rotorblätter die entsprechenden Prüfverfahren nicht gleich mit erarbeitet wurden.
„Wo geht die Entwicklung der Prüfverfahren hin?“ fragte Petry in der abschließenden Diskussion die Vortragenden. Dazu kam eine ganze Reihe von Einschätzungen, die so oder ähnlich offenbar für alle gelten. Genannt wurde vor allem die Weiterentwicklung von lichtbasierten Verfahren, weil sie einen hohen Prüfdurchsatz erlauben und relativ kostengünstig sind. Fast alle Teilnehmer sahen ein großes Problem in der Fülle der erhobenen Daten und ihrer Auswertung, die nach Meinung der Prüfer inzwischen häufig einen höheren Zeitaufwand als die Datenerhebung erfordert. Die Relevanz der erhobenen Daten zu beurteilen ist in vielen Fällen ebenfalls noch nicht zur Gänze gelungen. So sind die bildgebenden Verfahren inzwischen durch technische Entwicklungen so weit fortgeschritten, dass manchmal nicht klar wird, ob der Befund als Parameter für eine Fehlerprüfung wirklich ausschlaggebend ist.
Zum Abschluss des Expertenforums bot Ralph Gilles noch eine Führung durch den FRM II an. Die Teilnehmer zeigten sich sehr beeindruckt von den zahlreichen Messmöglichkeiten und diskutierten beim Rundgang bereits über mögliche gemeinsame Messungen. Trotz des gedrängten Programms mit vielen interessanten Beispielen nutzten die Teilnehmer die Chance, ihre Fragen vor allem während der Posterpräsentation nach der Mittagspause anzubringen und mit Kollegen und Wissenschaftlern zu diskutieren. Wissenschaftler der unterschiedlichen Messeinrichtungen standen für Fragen und eine Beratung zur Verfügung. Der rege Austausch, das hohe Interesse und die Anregungen aus dem Teilnehmerkreis stellen sicher, dass es ein nächstes Expertenforum im Jahr 2016 geben wird, bei dem dann diese Ideen umgesetzt werden können.